Ein Unternehmen besitzt also umso mehr Überlebensfähigkeit, je mehr es nach den Prinzipien biologischer Systeme verändert wird. Biologische Lebewesen haben die Fähigkeit, unter sich permanent ändernden Rahmenbedingungen zu überleben. Unternehmen zielen auf Gewinn, auch wenn das auf Ausbeutung hinausläuft.
Viele Berater und Manager versuchen, Unternehmen nach den Prinzipien von Maschinen, von beherrschbaren Systemen zu steuern. Zentrale Steuerung und vorgegebene Prozesse sind solche Prinzipien. Höhere Lebewesen realisieren begrenzte Autonomie und Systemvernetzung im Sinne wechselseitiger Einwirkungen.
Unsere wirtschaftliche Wirklichkeit zeigt gerade jetzt, dass besonders in kritischen Phasen - wenn die Überlebensfähigkeit am meisten benötigt wird - zu Massnahmen gegriffen wird, die den Spielraum der einzelnen Abteilungen und Mitarbeiter einengen, um eine straffe, zentrale Steuerung zu bewirken.
Fünf Hauptursachen der Logik des Misslingens
Dietrich Dörner hat verschiedene politische, wirtschaftliche und technische Katastrophen untersucht und seine Erkenntnisse in dem Buch »Die Logik des Misslingens« beschrieben. Als Hauptursachen für Ereignisse, die später als Katastrophen bezeichnet werden, hat er folgende Muster erkannt:
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1:
Die Tendenz zur Überdosierung von Maßnahmen unter Zeitdruck:
"Anstatt die Auswirkungen einer Maßnahme abzuwarten und zu analysieren, werden in rascher Folge weitere Maßnahmen getroffen, die zum 'über das Ziel hinausschießen' führen".
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2:
Die Unfähigkeit zum nichtlinearen Denken in Kausalnetzen statt in Kausalketten. Also die Unfähigkeit, Neben- und Fernwirkungen des eigenen Verhaltens richtig in Rechnung zu stellen.
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3:
Die Unterschätzung exponentieller Abläufe. Das ist die Unfähigkeit zu sehen, daß ein exponentiell ablaufender Prozeß langsam beginnt, dann aber ab einem bestimmten Zeitpunkt mit explosionsartig zunehmender Beschleunigung abläuft.
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4:
Die Tendenz von Fachleuten sich selbst zu bestätigen, und Kritik in der Gruppe implizit durch Konformitätsdruck zu unterbinden. Dörner bezeichnet das auch als »die tödliche Folge von Routine«.
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5:
Systematisches, wiederholtes Übergehen von Sicherheitsvorschriften aus Selbstüberschätzung.
Aus Dietrich Dörner: Die Logik des Mißlingens S. 54-56; Rowohlt Verlag ISBN 3 498 01260 6)
Komplexe Situationen verlangen also primär ein spezifisches Grundverständnis, und erst in zweiter Linie entsprechende Methoden und Instrumente. Der kybernetische Manager steuert nicht, er regelt! Seine Methodik besteht aus einem Bündel von Vorgehensweisen und Instrumenten, die in einer elementaren, aber nicht determinierten Verbindungslogik zueinander stehen.
Komplexitätsmanagement ist somit keine bestimmte Fähigkeit, sondern ein ganzes Bündel von Fähigkeiten.